Kleines Pech

Es ist ja nicht so, dass das kleine Pech vorüber geht, nur weil einen großes Unglück getroffen hat.

Einen Tag vor seinem achten Geburtstag wurde das Fahrrad meines Sohnes geklaut, er hatte es im Jahr davor zu seinem siebten Geburtstag geschenkt bekommen. Wir hatten es nach dem Laternelaufen, erschöpft und froh, dass wir diesen ersten Gemeinschaftsausflug seit dem Tod unserer Tochter überstanden hatten, in der Schule vergessen. Und am nächsten Tag war es weg- ich konnte es nicht fassen.

Mein Portemonnaie war mir auch abhanden gekommen. Ich wertete das nicht als Pech, das hätte ich so kurz nach J. Tod nicht verwunden, sondern als Neuanfang. Schließlich war ich nicht mehr dieselbe, da kam ein neuer Personalausweis gerade recht, redete ich mir gut zu.

Es ist das kleine Pech neben dem großen Unglück, dass mir manchmal die Beine wegzieht. Der ausbleibende Arbeitsauftrag, ein Schnupfen, der nicht weggeht. Meine kleine Große, die nicht in die Kita will und mich beim Abschied kaum ansieht. Dass ich morgens genau in dem Moment in die Kita komme, als K. das Neugeborene einer strahlenden Mutter begrüßt. Der verlorene Handschuh, der zerknickte Schreibblock, das versalzene Essen.

Natürlich bin ich seit J. Tod dankbarer für kleines Glück. Es gelingt mir, mehr im Augenblick zu sein, Kleinigkeiten wert zu schätzen und Probleme zu relativieren. Nur will ich das nicht müssen, um J. Tod einen Sinn zu geben. Wenn mich das kleine Pech schon nicht auslässt, will ich mich auch darüber ärgern dürfen, will manchmal kleinlich und genervt sein- so wie alle anderen auch.

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